Therapie für multiresistente Keime

Biotech-Startup Invitris

Unser Alumnus Dr. Patrick Großmann hat das Start-up Invitris ko-gegründet, das eine Lösung für eines der größten globalen Gesundheitsprobleme bietet: multiresistente Erreger. Er und sein Team haben Viruspartikel entwickelt, die antibiotikaresistente Bakterien sicher abtöten. Das junge Start-up arbeitet unter anderem mit der Bundeswehr zusammen, um resistente Wundinfektionen zu kurieren. Für das innovative Herstellungsverfahren der Viruspartikel hat das Start-up mehrere Patente angemeldet. Davon und übers Gründen erzählt Patrick Großmann im Interview.

Was macht Invitris und was ist daran innovativ?

Wir sind ein Biotech-Startup und entwickeln personalisierte Therapien gegen Infektionen mit antibiotika-resistenten Bakterien – dem größten globalen Gesundheitsproblem der kommenden Jahrzehnte! Als Wirkstoff benutzen wir dabei Bakteriophagen, natürliche Viruspartikel, die selbst multiresistente Erreger hochspezifisch und auf sichere Weise töten können. Anders als alle anderen Wettbewerber stellen wir diese Viruspartikel dabei komplett auf synthetischem Weg her, was uns eine extreme Skalierbarkeit in der Herstellung und Entwicklung ermöglicht. Hierfür haben wir ein weltweit einzigartiges System entwickelt, für das mehrere Patente angemeldet sind. Die Idee dazu stammt von meinem Ko-Gründer Dr. Kilian Vogele, der die Technologieerfindung vorangetrieben hat. Unser Ziel ist es, die Technologie zu einer Plattform weiterzuentwickeln, mit der wir eigene klinische Programme verfolgen und weitere Programme an andere Biotech-Unternehmen auslizenzieren können.

Du hast deine Berufslaufbahn zunächst „klassisch“ mit dem Einstieg in einem Konzern (Linde) gestartet. Wie kam es dann zu der Gründung eures Start-ups?

Es war ein lang verfolgter Plan seit meiner Zeit in Boston, einem der Innovations-Mekkas der Welt. Einer der Hauptgründe für den MBA war, nach meiner wissenschaftlichen Ausbildung auch das betriebswirtschaftliche Handwerkszeug dafür zu lernen. Danach bei Linde einzusteigen, hing dann aber vor allem mit dem lukrativen Angebot zusammen, das Linde mir gemacht hat, sowie mit der Möglichkeit, enger mit herausragenden Persönlichkeiten wie Herrn Dr. Bruch, heutiger CEO von Siemens Energy, zusammenarbeiten zu können. Nach zehn Jahren akademischer Ausbildung ohne wirkliches Einkommen habe ich mich vom Geld leiten lassen. Sehr schnell habe ich aber gemerkt, dass ich mir damit etwas vorgemacht habe und habe nach zwei Monaten wieder gekündigt. Allerdings bin ich noch so lange geblieben, bis eine starke Nachfolge im Team in Form von anderen Collège-Alumni gefunden werden konnte.

Was war für dich beim Gründungsprozess besonders herausfordernd?

Ein richtiges (Gründer)team zu finden. Da kann ich mich glücklich schätzen. Am vielversprechendsten ist es, wenn man die Möglichkeit hat, mit potenziellen Mitgründern schonmal an einem Projekt gearbeitet haben zu können. Das schafft Vertrauen und Verständnis, wie Kompetenzbereiche sinnvoll voneinander abgegrenzt werden können und welche Kompetenzen im Team noch hinzukommen müssen. Herausfordernd ist zudem, die Finanzierung sicherzustellen und das wachsende Team zu managen.

Die Produktentwicklung geht meistens gut voran, aber man muss sich sehr dazu disziplinieren, nicht „sein oder ihr“ Traumprodukt zu bauen, sondern das Traumprodukt von möglichst vielen und umsatzstarken Kunden.

Das ist im Therapeutics-Bereich genauso wie in anderen Bereichen. Und man muss lernen, damit umzugehen, wenn einem Leute sagen, wie wertlos das erste Produkt ist. Gerade als ein mit Top-Noten ausgezeichneter CDI-ler im Berufseinstieg ist das für viele eine bittere Pille.

Invitrist stellt beliebige Phagen synthetisch her. Dabei benutzt das Start-up ein eigens entwickeltes biologisches System, zu welchem die DNA von Phagen hinzugegeben wird. Dies erzeugt eine automatische Assemblierung therapeutischer Phagen, mit denen Infektionen sicher behandelt werden können.

Was hättest du gerne früher gewusst?

Wie lange die Vorbereitung für Ausgründungsprogramme wie EXIST dauert. Und wie leicht es ist, eine Tendenz zu entwickeln, sich selber „busy“ mit tollen Webseiten und Slides zu halten, ohne dass man eigentlich die wirklich wichtigen Dinge macht (Marktvalidierung, Kundenaufbau etc.). Außerdem war ich überrascht, bei wievielen Leuten im Bekanntenkreis ich mich für den Gründungsschritt und die damit verbundene Aufgabe eines „sicheren“ Jobs rechtfertigen muss. Allerdings stimmt es, dass es angenehmer ist, aus einem „sicheren Hafen“ wie einem Konzernjob heraus zu gründen.

Welchen Rat würdest du jemanden geben, der übers Gründen nachdenkt?

Gründet nicht um des Gründens Willen! Und: Team ist alles – Netzwerk ist alles danach. Der Fokus sollte generell auf „Machen“ liegen: Nicht alles zu lange überdenken, sondern aktiv werden. Das ist wichtiger als Fehler zu begehen, denn Fehler werden sowieso gemacht. Aber der Marktbedarf muss natürlich feststehen. First-Mover muss man dabei nicht zwangsweise sein, denn Wettbewerber bereiten mitunter den Markt für einen vor. Und: Spart nicht an falschen Enden (Anwälte etc.) und sucht euch gute Mentoren.

Ideen sind erst einmal nicht viel wert, man muss mit seinen Ideen möglichst früh rausgehen. Leute, die protektiv sind, werden nicht erfolgreich.

Was ist mit den finanziellen Unsicherheiten zu Beginn? Man muss ja seine Miete zahlen können.

Die sind in der Tat substanziell und schwierig. Ich habe fast zwei Jahre kein gesichertes Einkommen gehabt und habe mich mit Freelancern und von Befristung bis Befristung über Wasser gehalten. Das ist nicht schön, aber manchmal hilft es, den „Hunger“ hochzuhalten und Biss zu entwickeln. So eine Situation ist sicher nicht für jeden geeignet und auch je nach Lebenslage unterschiedlich zu bewerten (Kinder etc.). Wichtig aber: Es ist in jeder Lebenslage möglich! Seitdem ich Schüler bin, dokumentiere ich meinen Cash Flow und weiß den exakten Anteil von fixen und variablen Kosten. Das hilft, zu prognostizieren. Ich würde empfehlen: Überlegt nicht nur, wo ihr Kosten einsparen könnt, sondern eignet euch ein Mindset an, wie ihr zusätzliche Einnahmen generieren könnt.

Welche Eigenschaften sollte man mitbringen, um den Versuch einer Gründung zum Erfolg zu führen?

Ich denke, das kommt sehr auf die Ergänzung durch die Mitgründer an. Gerade im Life Science Bereich trifft man sehr häufig Teams an, die sich durch eine Mischung aus extrovertierten (CEO/CFO) und introvertierten Charakterzügen (CSO/CTO) kennzeichnen. Eine Risikoaversion ist schwierig, hilfreich ist dagegen sicherlich ein gesundes Maß an Selbstvertrauen sowie die Offenheit, eine konstruktive Debatte zu führen.

Was sind deine nächsten Ziele mit Invitris?

Einen Meilenstein haben wir schon geschafft: Es ist uns gelungen, den renommierten EXIST-Forschungstransfer vom Bundesministerium für Wirtschaft mit über 1 Millionen Euro einzuwerben. Nun müssen wir als nächsten Schritt die Basis-Technologie noch ein bisschen erweitern, um Wirkstoffkandidaten entwickeln zu können. Dann müssen wir bald anfangen, Manufakturprozesse aufzubauen, die klinischen Standards genügen. Wir validieren gerade ein paar Zielprodukte für Therapien in unterschiedlichen hochpreisigen Segmenten (z.B. chronische Pneumonien oder Infektionen bei diabetischen Wunderkrankungen). Für ein bis zwei Kandidaten stellen wir einen Entwicklungsplan für ein klinisches Programm zusammen, mit dem wir Ende des Jahres ins Fundraising gehen, um in drei Jahren in die klinische Phase eintreten zu können.

Darüber hinaus arbeiten wir mit einem Institut der Bundeswehr und einem belgischen Militärkrankenhaus daran, noch dieses Jahr kritische PatientInnen mit unseren Wirkstoffkandidaten zu kurieren.

Gerade militärische Organisationen treiben die Phagentherapie aufgrund des hohen Drucks, schlimme resistente Wundinfektionen aus Gefechten zu behandeln, voran. Durch die derzeitige Pandemie hat der Bedarf noch weiter zugenommen.

Ist es von Vorteil, vor einer Gründung Erfahrung in einem Großunternehmen gesammelt zu haben?

Die Erfahrung hat mir sehr geholfen, strukturiert zu arbeiten, zeitlich gut zu planen und menschliche Befindlichkeiten zu verstehen. Erfahrungen mit der Konzernpolitik, mit Entscheidungswegen, guten Finanzkalkulationen sowie internen und externen Netzwerken sind sehr hilfreich. Zudem habe ich verstanden, dass die Geschwindigkeit außerhalb von Großunternehmen eine andere ist. Danke also an das CDI für die fantastische Möglichkeit, bei Linde einsteigen zu können!

Was hast du als Vorstandsmitglied des CDI Alumni e.V. im Netzwerk für Pläne?

Ich bin streng genommen „nur“ ein Organ zum Vorstand, da laut Satzung nur zwei Vorstände vorgesehen sind. In meiner Rolle möchte ich vor allem den generationenübergreifenden Austausch zwischen den verschiedenen CDI-Jahrgängen fördern. Darum engagiere ich mich vor allem im Bereich der Veranstaltungen. Ich möchte Gründungsinitiativen zu mehr Erfolg verhelfen und ein Netzwerk für Unternehmensgründungen aus dem CDI heraus bieten, das erstmaligen Gründern Zugang zu Mentoren, Experten, Beratern und Kapitalgebern bietet.

Was bedeutet für dich das Alumni-Netzwerk?

Durch die lange Historie des CDIs gibt es mittlerweile gefühlt in allen wichtigen europäischen Branchen und Firmen eine Schnittstelle zum Alumni-Netzwerk.

Ob Autobauer, Chemie, Aviation, Beratung, Investment, vermehrt nun auch Life Sciences und Biotechnologie, selbst Politik und Lobby – man findet im Netzwerk immer jemanden, mit dem man sich austauschen kann. Und vor allem diejenigen CDI-ler, die im Verein aktiv sind, sind für ihre Offenheit und Zugänglichkeit bekannt – es macht einfach Spaß, sofort eine gemeinsame Verbindung und Geschichte zu spüren, wenn man das erste Mal mit einem Alumnus spricht. Das CDI-Programm ist ganz speziell und einzigartig und jeder hat eine persönliche und eine gemeinsame Erfahrung damit.

Das Team von Invitris (von links): Quirin Emslander (ehem.), Patrick Großmann, Kilian Vogele, Sophie von Schönberg, und Franziska Winzig.

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